Wollte man Anton Bruckners Religiosität betrachten, so begegnet uns ein tief in der religiösen Tradition der katholischen Kirche verwurzelter Mensch. Seine demütige Liebe zu Gott, seine wohl kindlich naive, beinahe einfältige, gar angstgetönte Frömmigkeit wird aus seinen zahlreichen Kalendernotizen über täglich gesprochene Gebete ersichtlich.
Die Vorstellung eines persönlichen Gottes beherrscht Bruckner so sehr, dass er es als seine Pflicht empfand, dem, der ihm das Talent gegeben, seinen Dank immer wieder zum Ausdruck zu bringen.
Das manifestiert sich nicht nur in den beiden Lobgesängen, dem 150. Psalm und dem Te Deum. Die häufig auch in seinen Symphonien auftretenden choralähnlichen Themen können nur als äußeres Zeichen tiefer, frommer Gesinnung verstanden werden. Dazu gehört auch sein Lebensstil, der mönchisch bescheiden war. Sein Glaube gab Bruckner auch die Kraft, zahlreiche Anfeindungen seiner Gegner zu überstehen.
Der 150. Psalm
1891 erhielt Bruckner den Auftrag, eine Hymne oder Kantate zur Eröffnung einer geplanten Musik- und Theaterausstellung in Wien zu komponieren. Er wählte aus den Lobpreisungen des Alten Testaments, den Psalmen, den letzten, den 150. Psalm, aus. Das Werk erfuhr aber erst 1892 in einem Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde Wien seine Uraufführung, und zwar am 13. November, also fast auf den Tag genau vor 120 Jahren. Es sollte sein letztes geistliches Chorwerk für Soli, Chor und Orchester werden.
Hallelujah, lobet den Herrn, gleich dem Te Deum, ein enthusiastischer Hymnus zum Lobe der Gottheit. Gleich zu Beginn der Unisono-Einsatz des Orchesters in C-Dur, das darauf folgende Hallelujah des ganzen Chores, das sich fanfarenartig weitet, ist von echter Glaubensfreude erfüllt. In der terzverwandten Tonart As-Dur folgt zuerst vom Alt, wie in Gebetsform, der zweite Hauptgedanke des Werkes, der mit Hinzutritt der übrigen Stimmen zu breiten Harmonien anwächst.
Und immer aufs Neue beginnt eine einzelne Stimme das Lob, in welches wieder der Chor mächtig anwachsend einstimmt. Über einen Orgelpunkt erreicht die Entwicklung einen Höhepunkt: Lobet ihn mit hellen Zimbeln! Nach einem demütig bittenden Sopransolo setzt mit dem Unisono Hallelujah der Hauptsatz wieder ein, dem sich eine ungemein kunstvolle Fuge anschließt.
In einer Schlusswirkung (Coda), in der die Stimmen wieder fanfarenartig mit dem Sopran bis zum hohen C geführt werden, schließt das ekstatische Werk ab.
Das Te Deum
Dich Gott, loben wir! Te Deum laudamus!
So lautet der feierlich Ambrosianische Lobgesang der römischen Kirche. Bruckner selbst hat es sein bestes Werk, „den Stolz seines Lebens“ genannt. Der Überlieferung nach hat er es „Gott gewidmet aus Dankbarkeit“, wie er formulierte, „weil es meinen Verfolgern noch immer nicht gelungen ist, mich umzubringen.“
1881 beginnt er mit den ersten Skizzen und vollendet das Werk 1884. Man kann das Te Deum vielleicht als eines der machtvollsten Werke bezeichnen, die Bruckner je geschrieben hat.
Das Unisono gleich zu Beginn ist von äußerst eindringlicher Wirkung, als wollte der Gesang verkünden: Alle Menschen auf Erden sprechen die selbe Sprache, wenn sie Gott loben und preisen.
Das folgende Te ergo quaesumus – Dich also bitten wir ist im Ausdruck des Tenorsolo geradezu aufregend, wenn man den unerwarteten Sprung von C zum hohen As vernimmt.
Wie ein Sturm braust das Aeterna fac über mächtigen Streicherbewegungen dahin. Sie scheinen das Ewige zu illustrieren.
Das Salvum fac populum – Rette Dein Volk wiederholt die flehenden Bitten des Te ergo, nur nimmt hier auch der Chor daran teil.
Mit dem Per singulos die benedicimus te- alle Tage preisen wir Dich setzt das Unisono – Thema des Anfangs mit vollem Orchester ein. Das Miserere flüstert der Chor nur noch und beim folgenden Super nos verstummen die Instrumente.
Das letzte Stück In te Domine speravi – auf Dich habe ich gehofft, o Herr ist zweiteilig: Einem gewissermaßen homophonen „Präludium“ folgt eine Fuge über denselben Text. Indem nun Bruckner die Textzeile aufbricht In te domine speravi und Non confundar in aeternum und sie zwei voneinander leicht abweichenden Fugenthemen zuordnet, entsteht der Eindruck einer Doppelfuge. Das Non confundar in aeternum – nicht werde ich zuschanden werden in Ewigkeit erfährt aus dem piano eine Steigerung mit hoher Intensität, um in die lang ausgehaltenen hohen Sopranstimmen in Tonkombinationen zu münden, die weit über die Bruckner sonst eigene Harmonik hinausreichen.
Das Te Deum trat ein wahren Triumphzug an. Über 30 Aufführungen im In-und Ausland gab es bis zu seinem Tode 1896.
„Wenn mich Gott einst zu sich ruft und Rechenschaft von mir fordert, dann halt ich ihm die Rolle von meinem Te Deum hin, und er wird mir ein gnädiger Richter sein.“ So Anton Bruckner .
Messe Nr.3 f-moll
Unter dem Eindruck der erfolgreichen Aufführung der d-moll Messe im Februar 1867 wird Anton Bruckner kurz danach ein Auftrag erteilt eine weitere Messe zu komponieren.
Am 30. Dezember des gleichen Jahres schreibt er an den Wiener Dirigenten und Komponisten Johann Herbeck: „Von meiner neuen Messe wird bald das Credo fertig werden. Kyrie und Gloria sind skizziert, ich nehme mich sehr zusammen.“
In den Tagen, da Bruckner an seinem Werk arbeitete, war er von der Inspiration so erfasst, dass er völlig geistesabwesend und vom Irdischen losgelöst erschien.
1868 kann das Werk zum Abschluss gebracht werden. Bei der Einstudierung unter Johann Herbeck kommt es jedoch zu großen Schwierigkeiten, so dass die Messe erst am 16. Juni 1872 unter Bruckners Leitung in der Augustiner-kirche zu Wien uraufgeführt wird.
Von dem großen Erfolg der Aufführung ermutigt, schreibt er an den Linzer Domdekan Johann Baptist Schiedermayr: „Eben heute sind es acht Tage, dass ich meine Messe in F Nr.3, die schwierigste aller Messen, zum ersten Mal in der Augustinerkirche aufführte. Dem Höchsten zur Verherrlichung geschrieben, wollte ich das Werk zuerst in der Kirche aufführen. Die Begeisterung sowohl von Seiten der Künstler als auch der übrigen Anhörer war beinahe namenlos“.
Nach einer kurzen Einleitung der Streicher beginnen Sopran und Alt fast stammelnd das Kyrie eleison. Allmählich wird die Orchesterbegleitung reicher und die Zuversicht in den Stimmen größer, nach und nach wächst der Chor zu großer Intensität, bis das zur Ruhe kommende A-Capella- Kyrie den Satz beschließt.
Im hellen Jubel beginnt der Chor der Oberstimmen das Gloria. Ausdrucksvolle Unisono-Stellen wechseln ab mit kühnen Harmonien. Bei Domine Deus tritt der von Bruckner so geliebte Oktavensprung besonders hervor, kunstvoll verwendet und vom Orchester mit reicher Figuration umspielt. Ganz wunderbar dann der langsame Mittelsatz des Qui tollis, dem ein inbrünstiges Miserere folgt. Den Schluß des Gloria krönt eine kunstvolle Fuge In gloria dei patris.
Das Credo kommt mit dem immer wieder von Bruckner bevorzugten Unisono-Chor, gleichsam die Einheit der Kirche symbolisierend daher. Daraus erheben sich die strahlenden Dur-Klänge des Lichtes, Deum de Deo, lumen de lumine. Diesem kerygmatischem ersten Teil schließt sich ein nach E-Dur gewendetes visionäres Et incarnatus est an, gesungen vom Tenorsolo in Begleitung eines Violinsolo. Besonders liebevoll, ja rührend dann das Ex Maria virgine, auch Ausdruck der Marienverehrung Bruckners. Dazu gesellt sich ganz zart das Beten des Chores. Ergreifend vernimmt man die Passion des Herrn im Crucifixus und Sepultus est . Mit einem Paukenwirbel beginnend steigert sich das Orchester wie in Extase zum Et resurrexit. Mit der Kraft des Wahrhaftigen leuchten die anderen Glaubensartikel hervor: Ascendit – et iterum venturus est und das zaghaft beginnend und furchtbar sich steigernde Judicare, eine Vertonung von großer Eindringlichkeit.
Die Schlussfuge Et vitam venturi wird von mächtigen Credo -Rufen unterbrochen um die Unerschütterlichkeit des Ich glaube zu manifestieren.
Das Sanctus beginnt mit zarten Streicherstimmen, in welchen die Oberstimmen andachtsvoll einstimmen, während die Unterstimmen mit absteigender Oktave antworten. Im Domine Deus Sabaoth tritt der ganze Chor und das volle Orchester dazu. Jubelnd erklingt das Pleni sunt coeli et terra mit dem Hosanna.
Wer um Bruckners demütige Frömmigkeit weiß, der wird das nun folgende himmlische Benedictus begreifen. Das Thema dieser Melodie sei ihm, so Bruckner, in einer Stunde inniger Andacht am Weihnachtsabend 1867 eingefallen. Er fand das Thema so wunderbar, dass er es sogar in den 2. Satz seiner 2. Symphonie aufgenommen hatte.
Nach einem längeren zarten Vorspiel, in welchem das Hauptthema von den Celli erklingt, nehmen die Solisten das Thema auf. Ihnen folgt das Bass-Solo mit dem zweiten sehr innigen Hauptgedanken. Der Bruckner-Biograph Max Auer bemerkt dazu: „Staunenswert ist an diesem Benedictus die ungemein zarte, innige und reine Empfindung, die nicht im Mindesten an Sentimentalität streift„.
Das Agnus Dei beginnt wieder mit den Oberstimmen, das von den Unterstimmen sogleich in der Umkehrung beantwortet wird. Im dritten Agnus Dei münden nach kunstvoller Engführung der Stimmen diese in das Dona. Mit dem Kyrie – Motiv Dona nobis pacem – gib uns Deinen Frieden wird der Schluß der herrlichen Messe herbeigeführt.