Der Berliner Oratorien-Chor hat sich bei seiner Gründung vor 120 Jahren – damals noch Berliner Volks-Chor genannt – der Aufführung von chorsinfonischen Werken verschrieben, um diese einem größeren Publikum näher zu bringen, und tut dies bis heute. Diese Art von Repertoire ist wohl die aufwändigste Art der Chormusik, da neben einem großen Chor auch ein Orchester benötigt wird. Eine solche Anzahl an Musizierenden erfordert eine ausreichend große Bühne sowie entsprechend viele Sitzplätze für das zahlende Publikum. Damit ist jede Aufführung des Berliner Oratorien-Chors mit einem großen organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden. Vielen Konzertbesuchern, aber auch manchen Mitwirkenden, ist es vermutlich nicht bewusst, wie sich chorsinfonische Amateurchöre in Berlin finanzieren und wie teuer dieses Hobby tatsächlich ist.
Proben – ohne geht es nicht
Jede Aufführung, jedes Konzert fängt mit der Probenarbeit an. Als Amateurensemble plant der BOC üblicherweise mit mindestens drei Monaten Probenzeit, je nach Komplexität des aufzuführenden Werkes aber auch mit bis zu sechs Monaten.
Wir proben jeden Mittwochabend im Hochmeistersaal mit allen Mitgliedern, sowie montags mit jeweils nur mit den Frauen- (Sopran und Alt) bzw. Männerstimmen (Bass und Tenor). Die Proben leitet der Chorleiter, Thomas Hennig, unterstützt vom Korrepetitor, Scott Curry, oder dessen Vertretung, Klarisse Jaeger. Zusätzlich findet vor den Mittwochsproben für jede der Stimmgruppen im vierwöchigen Rhythmus eine halbstündige Stimmbildung statt, bei der Sonja Bisgiel am Gesamtklang der Stimmgruppe und Gesangstechnik arbeitet. Frau Bisgiel übernimmt auch des Einsingen an den Mittwochsproben. Alle vier sind professionell tätig und ihre Arbeit wird dementsprechend vergütet.
Für den Probenraum fällt eine monatliche Miete an, ebenso für das Chorarchiv, in dem Dokumente aus 120 Jahren Chorgeschichte schlummern. Daneben hat der Chor andere laufende und regelmäßige Kosten z.B. für die Mitgliederverwaltung, Noten, Bankkonten, Webseite und Mitgliedschaften im Chorverband Berlin (CVB) und dem Verband Deutscher Konzertchöre (VDKC). Diese regelmäßigen Kosten lassen sich gut abschätzen und werden üblicherweise durch die Beiträge der aktiven und fördernden Mitglieder sowie Projektsänger͕·innen abgedeckt.
Konzerte – fast immer ein Verlustgeschäft
Die Aufführungen selbst stellen den Chor immer wieder vor neue Herausforderungen und finanzielle Risiken. Für Konzerte mit 90 oder mehr Singenden stehen in Berlin nicht viele geeignete Bühnen zur Verfügung. Deshalb tritt der BOC meistens im Konzerthaus oder der Philharmonie auf. Der BOC organisiert jedes Jahr zwei große Konzerte mit chorsinfonischen Programmen selbst, eventuell kommt ein drittes, kleineres Konzert dazu. Bezahlte Engagements durch andere Veranstalter sind eher selten.
Philharmonie und Konzerthaus haben ein ähnliches Konzept für ihre Saalmieten. Der Grundpreis ist abhängig vom Spieltag sowie vom höchsten Kartenpreis. Die Philharmonie mit 2206 Sitzplätzen verlangt für einen Konzertabend den Listenpreis von mindestens 12.100 EUR netto.
Künstler- und Orchesterhonorar sind auch ein wesentlicher Kostenfaktor und hängen von der Besetzung ab und damit vom geplanten Programm: je größer und komplexer das Orchester, desto höher das Honorar. Meist kommen vier Solisten dazu, sowie der Dirigent. Weitere nicht unwesentliche Kosten entstehen durch die Bewerbung des Konzertes, wo der Vorstand jeweils von Fall zu Fall entscheiden muss, wie viel Werbung notwendig und wo sie sinnvoll ist. Die Gesamtkosten liegen erfahrungsgemäß bei mindestens 30.000 EUR pro Konzert.
Der Kartenverkauf ist immer unvorhersehbar. Die Kartenpreise werden so gewählt, dass bei einer realistischen Auslastung der Großteil der Kosten gedeckt wird. Ein zu hoher Kartenpreis kann aber das Publikum abschrecken. Selbst bei beliebten Stücken ist ein reichlicher Kartenverkauf aber nicht garantiert, denn auch Konzerttermin, Wetter und die allgemeine wirtschaftliche Situation beeinflussen das Kaufverhalten. Der Trend geht zu immer kurzfristigeren Kartenkäufen. Der Großteil der Karten wird über Chormitglieder verkauft.
Für die Konzerte seit 2017 lagen die Ticketeinnahmen im Durchschnitt bei etwa 17.500 EUR. Alleine damit lassen sich die Gesamtkosten aber nur selten decken. Bei jedem Konzert besteht also das Risiko, dass der Chor auf erheblichen Kosten sitzen bleibt.
Spenden und Fördermittel helfen sehr
Die Aufgabe der finanzverantwortlichen Person des Chors ist es daher, das finanzielle Risiko zu minimieren. Das geht zum einen darüber, Spenden einzuwerben. Die Firma Bardusch unterstützt uns bereits seit mehreren Jahren großzügig.
Außerdem können Fördermittel beantragt werden, z.B. bei der Chorförderung des Berliner Senats, der Konzertförderung des Chorverbands Berlin, über Fonds zu Amateurmusik des Bundes oder anderen Institutionen. Aber selbst die staatlichen Fördermittel sind nicht auf Dauer garantiert. Zudem sind alle diese Förderquellen mit erheblichem bürokratischen Aufwand verbunden sowohl bei der Beantragung als auch in der Endabrechnung.
Zur finanziellen Zukunft des Chors
Für die nächsten beiden Jahre erhält der Chor eine Basisförderung des Senats, was den Finanzen des Chors guttut, aber trotzdem nicht vollständig ausreicht. Im Idealfall würden sich alle unsere Konzerte durch den Kartenverkauf selbst tragen. Darauf arbeiten wir als Chor auch immer hin, denn ein Konzert vor vollem Haus macht uns und dem Publikum einfach deutlich mehr Spaß. Deshalb hoffen wir, dass Ihnen unser kommendes Konzert auch gefällt und wir Sie vielleicht auch beim nächsten wieder begrüßen dürfen!