Eine Messe aus der Hand des romantischen Komponisten Robert Schumann ist in mehrfacher Hinsicht der Beachtung wert. Im lutherisch geprägten, sächsischen Zwickau – Geburtsstadt des Komponisten –, konnte man der katholischen Liturgie kaum begegnen. Zudem war Robert Schumann kein Kirchgänger im eigentlichen Sinne. Religiöse Gedanken entwickelte er bestenfalls allgemein gefasst aus der Perspektive eines romantischen Künstlers. So verwundert es nicht, dass die geistliche Vokalmusik im Werk des Komponisten fast nicht vorkommt.
Wir kennen Robert Schumann als Komponisten von Liedern, Klavier- und Kammermusik, als einen späten Symphoniker und tiefgründigen musikalischen Poeten.
Erst mit seiner Übersiedlung nach Düsseldorf 1850 erweiterte sich aus praktischen Beweggründen der Blick auf eine Werkgattung, die in ihm vormals kein großes kompositorisches Interesse geweckt hatte. Nun hatte sich der neue Städtische Musikdirektor auch mit Konzerten in großen Kirchen zu beschäftigen.
Die Aufführungen der geistlichen Werke Bachs wurden bald zur besonderen Herausforderung; 1851 dirigierte Schumann die Johannespassion, sehr bald folgte ein Konzert mit der h-moll-Messe in Düsseldorf. Nur folgerichtig entstand 1852 die Konzeption und Ausführung einer eigenen Messe in c-moll. Dass sakrale Werk ist letztlich eine ausgesprochene Konzertsaal-Messe. Der ungeübte Umgang mit dem liturgischen Latein lässt sich nicht verbergen, und die sehr freie Behandlung der Textbausteine belegt eine rein künstlerische Haltung in der inhaltlichen Auseinandersetzung. Auch die Reflexionen auf kontrapunktische Studien mit den polyphonen Strukturen der Werke Bachs zeigen einen doch eher symphonisch denkenden und empfindenden Musiker.
Die c-moll-Messe wurde nur in Ausschnitten 1853 unter Leitung des Komponisten musiziert. Schumann selbst hat die Uraufführung der gesamten Messe nicht mehr erlebt. Sie bleibt ein musikalisches Vermächtnis im versteckten Winkel seines breit aufgestellten Oeuvres – eine fremd und exotisch anmutende Exkursion des romantischen Tondichters, die durch ihre Überraschungen aufhorchen lässt. An keiner Stelle klingt die Messe indes wie ein Tribut an die Konzerttradition der Düsseldorfer Musikszene. Ganz im Gegenteil, der Komponist selbst bestätigte, seine Missa sei ‚mit großer Liebe gearbeitet’.
Ähnlich ambivalent im Kontext seiner Entstehung und doch abweichend, was seine Bedeutung im Gesamtwerk eines Komponisten ausmacht, mutet das Te Deum von Georg Bizet an. 1858 als Wettbewerbsbeitrag entstanden, sollte es dem Stipendiaten des Prix de Rome und großem französischen Opernkomponisten den Weg für ein musikalisches Nebengleis bereiten. Der Ausschreibung für die „beste geistliche Komposition“ folgten lediglich zwei Musiker, die Bedingungen erschienen somit erfolgversprechend.
Dennoch konnte Bizet den Preis nicht erringen und ließ das Werk gekränkt in der hintersten ‚Schublade’ verschwinden. Flankiert von großen opernhaften Chorsätzen und an Mozart gemahnende Arien, zeigt das Werk eine meisterhafte Fertigkeit und Beherrschung der Technik tradierter Vokalpolyphonie. Teile des Werkes wurden später in Opernszenen wiederverwendet. Das Te Deum selbst blieb unbekannt und unveröffentlicht. Erst 1971 wurde es entdeckt, herausgegeben und im gleichen Jahr durch die Singakademie zu Berlin uraufgeführt.
Als ‚Kleine Neunte’ ist die Chorfantasie von Beethoven bekannt geworden. Die Merkmale der Komposition widersprechen dem einheitlichen Charakter einer Werkgattung, die Chorfantasie ist Klaviersonate, Klavierkonzert und Kantate mit virtuos solistisch geführter Klavierbegleitung zugleich. So etwas gab es nicht zuvor, und auch Nachahmer hat es bis heute nicht wirklich gegeben.
Man könnte annehmen, Beethoven hätte mit einer Sonate begonnen, um sich dann doch lieber einem Konzert zuzuwenden, bevor dieses in eine rauschende Chorhymne mündet. Die in Bezug auf die Entwicklung von Strukturideen willkürlich erscheinende Gestalt entspricht jedoch dem Plan der Komposition. Die Anlage war von Beethoven exakt so gewählt worden, denn er benötigte einen glanzvollen, rauschenden Abschluss zu einem, unter dem Titel „Wiener Akademie“ geplanten Konzert, dessen Uraufführung am 22.12. 1808 stattfand.
Das Werk entstand in sehr kurzer Zeit und musste in Eile vorbereitet werden. Zur Uraufführung hatte Beethoven die Einleitung noch nicht zu Papier gebracht, sondern musste improvisieren. Da auch die Zeit zu notwendigen Proben nicht gewährleistet gewesen war, musste die Aufführung schließlich im Chaos unterbrochen werden.
In der Chorfantasie befindet sich ein Komponist und Interpret gleichsam auf Abwegen und der Suche nach neuen Ausdrucksformen, die weder Vorbilder kennt noch Epigonen inspiriert. Die Entwicklung der Idee steht im Vordergrund, der Weg ist das Ziel und die Irre gewollt. Daher ist die Idee der Chorfantasie eigentlich unmissverständlich und trifft den Nerv unseres heutigen Alltags: Wer sich überraschen lassen will, findet neue Optionen, wer hingegen auf Bekanntes wartet, sieht sich überrumpelt und muss letztlich in hilfloser Verwunderung verharren. Nur wer bereit ist, Abwege zu beschreiten, wird Neues finden.