Marita: Ich besuchte ein Konzert des Berliner Volkschores mit heiteren Opernmelodien, die mich sehr begeisterten. Als ich wenige Tage später einen Aufruf im Tagesspiegel gelesen habe, dass der Chor Mitglieder suchte, nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und bin zur Chorprobe gegangen. Ich dachte, bei einem Volkschor kann jeder mitmachen und wunderte mich sehr, dass ich vorsingen musste. Ich weiß noch von meinem allerersten Konzert, der Missa solemnis, dass wir Hand in Hand auf die Bühne gegangen sind, weil ich mich nicht alleine traute.
Hattest Du zuvor bereits musikalische Erfahrung?
Marita: Ich habe ein wenig Klavier gelernt. Wir haben zuhause viel gesungen, auch mehrstimmig. In der Grundschule war ich im Chor und hatte eine sehr gute Musiklehrerin, die mit uns das Ave Verum einstudiert hat. Für zehnjährige Schüler war das ziemlich schwierig. Dann, mit etwa 15 Jahren, habe ich gerne Opern gehört, die Libretti gekauft und Texte mitverfolgt. Das war meine Lieblingsbeschäftigung.
Welche besonderen Erinnerungen verbindest Du mit dem Chor?
Marita: Auf unserer Konzertreise nach Finnland 1979, auf der auch die Missa solemnis aufgeführt wurde, belegten wir ein ganzes Flugzeug und der Pilot bat uns, etwas zu singen. Es war durch die schreckliche Akustik so schlimm, dass wir abbrechen mussten, natürlich nur den Gesang. Beim Abschied unseres ehemaligen Chorleiters Herrn Sell, lud uns der damalige Korrepetitor, Professor Dr. Gerhard Ertl, in ein nobles Hotel zu Imbiss und Getränken ein. Eine ganz tolle Sache, denn er hatte kurz zuvor den Nobelpreis in Chemie verliehen bekommen.
Du hältst dem Chor seit mehr als 60 Jahren die Treue. Wie hat er sich in den Jahren verändert?
Marita: Das Programm ist anspruchsvoller geworden. Außerdem haben wir nach dem Fall der Mauer und auch jetzt, nach Corona, viele neue Mitglieder bekommen. Viele Jüngere, das tut unserem Chor sehr gut. Was mir außerdem sehr gefällt, ist der Humor unserer Chorleiter. Bei Herrn Sell war er eher volkstümlich, rustikal. Bei Herrn Hennig ist er feiner und intellektueller geworden, aber auch sehr humorvoll. Als wir einmal falsch gesungen haben, meinte der Chorleiter: „Ja, das ist auch eine Möglichkeit, wie man es hätte komponieren können„. Ich finde es toll, dass man während der Chorprobe trotz der vollen Konzentration so viel Spaß hat.